Das kleine Neuendorfer Altarretabel – Bericht zum Vortrag der Kunsthistorikerin Sandra Kästner

Zahlreiche Interessierte fanden sich am im Oktober 2024 zum Vortrag der Kunsthistorikerin Sandra Kästner, Leiterin Heimatmuseum und Stadtarchiv Duderstadt, zum kleinen Neuendorfer Altarretabel in Neuendorf ein. Da das Retabel wegen der anstehenden Restaurierung der St. Nikolaus-Kirche zur Zeit nicht an seinem Platz in der Kirche aufgestellt werden kann, wurde der Vortrag in das ehemaligen Klassenzimmer der „Alten Schule“ verlegt.

Dieses war vom Förderverein um Bürgermeister Gerhard Fromm bestens vorbereitet worden – inklusive eines einladenden Kuchenbuffets. Neben Mitgliedern des Heimatvereins „Goldene Mark“ und des Vereins für Eichsfeldische Heimatkunde (VEH) nutzten auch viele Neuendorfer die Gelegenheit, mehr über ihren Altar zu erfahren. Am weitesten angereist war Dr. Falko Bornschein, Kunstgutbeauftragter des Bistums Erfurt.

Ursprünglich war es geplant, das spätmittelalterliche Werk im Original mit seinem Bildprogramm und seinen Besonderheiten vorzustellen. Stattdessen bereicherte Sandra Kästner ihren Vortrag mit einer beeindruckenden Bildpräsentation, die mit Fotomontagen und verwandten Kunstwerken den Inhalt sehr anschaulich und verständlich machte. Die Neuendorfer Kirche besitzt zwei Altarretabel, von denen das kleinere bereits restauriert wurde, das größere – der Hauptaltar, sich weiterhin in der Restaurierung befindet.

 

Flügel des kleinen Altars vor und nach der Restaurierung (Foto: Kästner)

 

Die Restaurierung des kleinen Altaraufsatzes in den Jahren 2021/22 wurde durch eine kunsthistorische Untersuchung begleitet, die z.B. Fragen zur Entstehung, Herkunft oder Technik beantworten konnte. Das repräsentative Schnitzwerk ist ursprünglich wohl nicht für die St. Nikolaus-Kirche in Neuendorf geschaffen worden. Die filigranen Schnitzarbeiten lassen sich einer Thüringer Werkstatt zuordnen, die nach heutigem Forschungsstand auch das Allendorfer (heute Thüringer Landesmuseum Rudolstadt) und das sich in der Dornheimer Kirche befindende Altarretabel schufen, während die Gemälde auf den Außenseiten der Flügel deutliche Bezüge zu bekannten Erfurter Kunstwerken aufweisen. Damit besteht ein Werkstattumfeld, das zwar namentlich nicht benannt werden kann, doch mit fortführender Forschung sicher weitere Kreise ziehen wird.

 

Pfingstszene am kleinen Neuendorfer Altar (Foto: Kästner)

 

Das Entstehungsjahr für den Altar legt Sandra Kästner in den Zeitraum um 1420/25. Er könnte für ein Kloster des Eichsfeldes geschaffen worden sein. Aus welchem Nachlass allerdings die kleine Dorfkirche in Neuendorf den kleinen und den großen Altar bekam, bleibt nach wie vor ein Rätsel.
Die Restaurierungen und Forschungen zum zweiten Werk, dem Hauptaltar, sind noch nicht abgeschlossen. Auch hier wird es noch Spannendes zu berichten geben. Festzuhalten ist, dass beide Altaraufsätze von hoher Qualität und in den Kontext spätmittelalterlicher Kunst zu stellen sind. Denn nach derzeitigem Forschungsstand ist das kleine Neuendorfer Retabel aus jener Werkstatt hervorgegangen, aus der die ältesten erhaltenen Schnitzretabel Thüringens stammen.
Bedeutsam war in diesem Zusammenhang, besonders auch für die Neuendorfer Gemeindemitglieder, die Wiederentdeckung von zwei sehr alten Bischofsfiguren. Sie gehörten einst zur Ausstattung der Kirche und waren Teil der zweitweise übereinander aufgestellten Altäre. Wie Kästner herausfand, wurden sie jedoch um 1910 an ein Museum nach Erfurt verkauft, wo sie heute noch aufbewahrt werden.

(Titelbild: Kleiner Altar Neuendorf vor der Restaurierung, Foto: Läßig)

 

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